Ein Interview im Stefan Lange
"Manche Erfahrungen muss man einfach teilen!"
Wir sitzen zusammen im BRLO Brwhouse in Berlin und machen das, was meine gute Freundin Claudia mit den scherzhaften Worten „Alte Männer erzählen alte Geschichten“ umschreibt - wir schwelgen in Erinnerungen.
Und kommen dabei auf unsere gemeinsamen Träume, Ziele, Werte und Erfahrungen zu sprechen. Aus den Geschichten werden Erinnerungen, aus den Erinnerungen werden Weisheiten und aus den Weisheiten wird ein Interview in dem Stefan erklärt, wer Stefan ist - und warum mit GIHS ein Lebenstraum in Erfüllung geht.
Wie immer die wichtigste Frage zuerst: Wer ist eigentlich dieser Stefan Lange, über den alle Gäste immer reden?
Ich hoffe Menschen reden nur deshalb über mich, weil ich dazu beitragen konnte, eine schöne Erinnerung zu kreieren.
Ich bin ein Arbeiterkind aus dem Rheinland und bin in Österreich, Amerika und Deutschland aufgewachsen. Als ich klein war, hatten wir nicht viel. Deshalb weiss ich es heute sehr zu schätzen, dass ich mir Dinge aussuchen kann und Menschen kennenlernen darf, denen ich sonst nie begegnet wäre. Ich bin gerne in der Natur und am wohlsten fühle ich mich entweder auf meinem Fahrrad oder dabei die Gastgeber von morgen zu inspirieren - whatever comes first.
Stefan, was war der erste Ort auf deiner Reise-Liste, den du nie vergessen wirst – und warum?
Als ich 18 war habe ich bei einem Schüleraustausch in Köln Christina aus Rapallo kennengelernt und mich über beide Ohren in sie verliebt. Also habe ich mich in meine Ente gesetzt und bin von Köln nach Italien gefahren. Weil ich kein Geld hatte, hat mir ihre beste Freundin eine Stelle in der Küche eines Luxushotels verschafft, wo ich für 5000 Lire die Stunde gearbeitet habe, damit ich Christina abends zu einem Spritz einladen konnte. So bin ich Koch geworden.
Gibt es ein Geschmackserlebnis, das dich so berührt hat, dass du es am liebsten in Flaschen abfüllen würdest?
Die Königsberger Klopse von meiner Mutti. Die gab es immer zu besonderen Anlässen oder wenn ich traurig war.
(Zum Glück gab es bei den Langes genug besondere Anlässe - denn Stefan ist kein besonders trauriger Mensch)
Was bedeutet für dich „Genuss“ – im Alltag, auf Reisen, im Leben?
Was für eine schöne Frage. Genuss ist für mich Zeit. Das können 15 Minuten sein, in denen ich auf dem Weg zur Arbeit noch einen Espresso in der Sonne trinke. Das kann ein Tag sein, den ich damit verbringe auf das Meer zu schauen und irgendwann hineinspringe, obwohl das Wasser eigentlich viel zu kalt ist. Genuss ist das, was wir alle heute viel zu wenig machen - Zeit für uns und die Menschen die wir lieben!
Wie verändert sich Genuss, wenn man ihn mit anderen teilt?
Genuss und Glück sind sich sehr ähnlich, denn mit Genuss ist es wie mit dem Glück: Es verdoppelt sich, wenn man es teilt. Etwas gemeinsam zu genießen, sei es mit dem Team oder dem Partner, macht es ja oft erst zu einem Erlebnis. Ich bin als Kind in den Bergen aufgewachsen. Wenn man alleine auf einen Berg steigt, dann ist das vielleicht eine schöne Erinnerung. Aber erst dadurch, dass man es mit jemandem teilt, wird es zum Genuss.
Welche Erfahrungen auf deinen Reisen haben deine Sicht auf die Welt am meisten verändert?
Begegnungen mit Menschen, die ihre Erfahrungen mit mir geteilt haben.
Du sagst, manche Erlebnisse muss man teilen – was macht sie so besonders, dass man sie nicht für sich behalten kann? Und warum muss man sie teilen?
Ich finde Erfahrungen zu teilen hilft einem Menschen sich und andere besser kennenzulernen. Sei es im professionellen oder privaten Umfeld. Was kann ich tun, um jemandem zu zeigen, dass eine schlechte Erfahrung vielleicht nicht die Norm ist? Wie kann ich jemandem helfen, zu seinem Erfahrungsschatz beitragen? Was ich erlebt habe, kann anderen helfen mit ähnlichen Erfahrungen besser umzugehen. Man kann nicht nur aus eigenen Fehlern lernen - sondern auch aus denen anderer. Und ich habe genügend Fehler gemacht für eine Generation.
Was war die unerwartetste Lektion, die dir das Reisen beigebracht hat?
Nichts als selbstverständlich hinzunehmen. Auf Grund einer politischen Entscheidung des Landes, in dem ich lebte, plötzlich kein Visum mehr zu bekommen, war ein Erlebnis, auf das ich gerne verzichtet hätte. In 90ern habe ich in New York gelebt. Ich wusste nicht, wie gut ich es hatte, bis der 11. September die Stadt verändert hat und wir einfach nur dankbar waren, dass wir und die Menschen, die uns am Herzen liegen, am Leben sind.
Gibt es einen Ort, der dich mehr geprägt hat als jeder andere?
Uh, da kann ich mich nicht auf einen Ort festlegen. Aber auf Drei.
Neuseeland: Ich habe noch nie eine so schöne Natur erlebt und gelernt, für wesentliche Dinge dankbarer zu sein als ich es vorher war.
China: Das Land ist so unterschiedlich, gross und anders, als alles was ich bis dahin kannte, dass es mich immer wieder an Grenzen (und manchmal auch darüber hinaus) geführt hat.
Frankreich: Weil gutes Essen und Wein, sei es ein Stück Käse oder eine Dégustation einfach glücklich machen und ich von französischen Köchen und Winzern so viel darüber lernen durfte.
Es sind unsere Erfahrungen und unsere Entscheidungen die uns so viel mehr prägen als Erziehung und Umstände. Alle drei Länder haben mich extrem geprägt.
Welche Rolle spielt Kulinarik für dich als Weltenbummler – ist sie Reisegrund, Bonus oder beides?
Meine Freundin und ich haben an einem kalten Winterabend in Schanghai den Film 'Chef' mit Jon Favreau gesehen. Darin geht er mit seinem Sohn im Café du Monde in New Orleans Beignets essen. Ein paar Wochen später sind wir hingeflogen und was soll ich sagen: wir wurden nicht enttäuscht. Ich reise um andere Kulturen zu Erfahrung, zu erleben und neue Dinge kennenzulernen - Kulinarik ist ein großer Teil der Kultur und trotzdem immer ein Bonus.
Ich wollte immer mal nach Yucatan in Mexiko. Das Essen soll fantastisch sein. Vielleicht ist das was für 2026.
Hast du ein “Rezept” – im wörtlichen oder übertragenen Sinn – das dich immer begleitet?
Habe ich. Das Rezept ist von Pipi Langstrumpf: "Warte nicht darauf, dass die Menschen Dich anlächeln. Zeige ihnen wie es geht." Gelingt meistens und tut einem selber gut.
Was war der beeindruckendste Akt der Gastfreundschaft, den du je erlebt hast?
Ein Gast, der seinen letzten Zug verpasst hat, kommt spät abends an die Rezeption. Der Nachtmanager, Patrick, macht die Tagesabrechnung. Ich putze daneben die Bar. "Haben Sie noch ein Zimmer"? "Es tut mir leid", sagt Patrick. "Es ist ITB. Niemand hat ein Zimmer." Der Gast sagt, er sei Journalist aus Hamburg, das erste mal auf der ITB und er habe noch ein Meeting im Office Building nebenan gehabt.
Patrick und ich schauen uns an. So viel Naivität und Verzweiflung kann man nicht erfinden. "Hinter den Fahrstühlen ist ein Sofa. Kollege Lange hier holt Ihnen jetzt eine Decke und ein Kissen. In 15 Minuten geht hier das Licht aus. Um 5.30 Uhr kommt die Frühstücksschicht. Dann wecke ich Sie und Sie nehmen den ersten Zug nach Hamburg. Zum Hauptbahnhof sind es drei Stationen mit der S-Bahn vom Bahnhof gegenüber. Ein paar Tage später erscheint in einer ebenso bekannten wie angesehenen Publikation ein Artikel über die ITB und dass eine Messe Gastfreundschaft nicht so bewerben kann wie der Nachtmanager eines bekannten Hotels in Berlin. Er habe nach dem Besuch der ITB seinen letzten Zug nach Hamburg verpasst.
Ich finde wir vergessen heute manchmal, dass wir alle in einem Boot sitzen und des es so viel einfacher und besser für die Seele ist einander zu helfen als nicht.
Wie gehst du damit um, wenn Erwartungen an einen Ort oder eine Begegnung nicht erfüllt werden?
Ich frage mich, ob meine Erwartung falsch war. Wenn man von einem Ort oder einem Menschen viel erwartet, dann ist es ja umso wahrscheinlicher, das man enttäuscht wird, weil der Ort oder der Mensch diese Erwartungen gar nicht erfüllen kann. Ich leite ein Restaurant, das einem bekannten Koch gehört. Weil Menschen ihn im Fernsehen gesehen oder eine tolle Bewertung gelesen haben, glauben sie vielleicht, dass die Glocken von Jericho erklingen wenn sie eintreten und sie gehen auf Rosenblüten zu ihrem Tisch. Wird nicht passieren. Das ist auch deshalb schade, weil sie das Essen und den Service nicht so geniessen werden, als wären sie ohne grosse Erwartungen gekommen. Das Team möchte natürlich nicht enttäuschen. Es tut alles, um zu begeistern. Es ist einfacher sich verzaubern zu lassen wenn man keine Magie erwartet. Und meist werden Gäste von Ihren eigenen Erwartungen eher enttäuscht als von ihren Gastgebern.
Du reist viel – aber wie kommst du an, wenn du mal nicht unterwegs bist?
Ausschlafen. Anderen aufmerksam zuhören. Langsam gehen.
Wenn du einen Koffer mit “Erfahrungen, die man teilen muss” packen könntest – was wäre drin?
Da braucht man keinen Koffer. Die sind zu schwer und vieles, was man eingepackt hat, braucht man sowieso nicht. Eine kleine Tasche reicht. Meine Erfahrungen sind ja so, wie ich sie erlebt habe. Vielleicht erleben andere sie ja ganz anders. Statt Menschen einen Koffer in die Hand zu drücken und auf Reisen zu schicken, würde ich sie gerne ohne viel Gepäck an Orte führen, die sie noch nicht kennen. Dann können sie selbst erfahren und für sich herausfinden, wie sich etwas anfühlt und vielleicht tragen sie die Erfahrung ja dann im Herzen.
Was war ein Moment, in dem du wusstest: “Das muss ich erzählen”?
Ein Chef sagte mir eines Tages aus dem Nichts heraus, dass ich für ihn den grössten Weinkeller Chinas kreieren soll. Ich freute mich über das Vertrauen und rief meine Freundin an, um ihr das zu erzählen. Meine Freundin sagte: "Dann sehe ich Dich in den nächsten Monaten ja nicht so oft". Ich war enttäuscht, dass sie sich nicht für mich gefreut hat. Dann erst habe ich verstanden, dass ich sie zuerst hätte fragen sollen. Natürlich hat sie sich für mich gefreut, als das Projekt abgeschlossen war und mit vielen Preisen ausgezeichnet (yep, das ist ein bisschen Angeberei - aber auch die Wahrheit) wurde, aber Menschen, die man liebt und die Zeit, die man mit ihnen verbringt, sind wichtiger als Projekte.
Reisen kann verbinden – aber auch herausfordern. Wie bewahrst du dir Offenheit und Neugier?
Die Neugier ist einfach da. Ich kann zum Beispiel viel über einen Wein lesen und ihn zu Hause probieren. Oder ich kann das Weingut, das ihn macht, fragen, ob ich bei der Ernte helfen darf. Man schläft ein paar Stunden in einem Zelt. Morgens ist es zu kalt, mittags ist es zu heiss. Die 17 Kilo Trauben auf dem Rücken fühlen sich sehr viel schwerer an. Man hat gefühlt immer Hunger und Durchfall, weil man zu viele Trauben gegessen hat. Man ist müde. Alles tut weh und es ist das schönste Gefühl der Welt, die Trauben nach der Ernte mit den Füssen auspressen zu dürfen. Und wenn man den gleichen Wein dann trinkt - schmeckt er so viel reicher (an Erfahrung).
Wie sieht für dich ein perfekter Tag aus – egal wo auf der Welt?
Perfekte Tage passieren einfach. Für mich ist ein perfekter Tag ist immer dann, wenn man von einer Pfote geweckt wird. Dafür fehlt im Moment jedoch leider die Zeit.
Welche Erfahrung würdest du jedem Menschen einmal wünschen – und warum?
Die Erfahrung einmal das zu machen, was man sich noch nie getraut hat, jedoch immer schon mal machen wollte.
Und zum Schluss: Was macht GIHS für dich so besonders und wie kannst du mit deinen Erfahrungen und Erlebnissen am Besten helfen?
Vor allem natürlich Du und der Ansatz von GIHS. Wir sind keine Berater die etwas vorschreiben. Wir versuchen die Wünsche von Entscheidungsträgern für das jeweilige Projekt so zu erfüllen, dass ein nachhaltiger Erfolg und ein authentisches Erlebnis für alle Menschen, die sich darin aufhalten, kreiert wird. Das ist kein dunkles Gebäude, das nach festgelegten Standards funktioniert, sondern eine helle Brücke, die Menschen mit unterschiedlichen Erwartungen, Hintergründen und Zielen verbindet und zum Erfolg führt. Ich habe so viel erlebt, habe die Welt bereist, ein Vermögen angehäuft und wieder verloren, Erfahrungen gemacht für 2-3 Leben. Wissen weiterzugeben und diese wundervolle, verrückte, exzentrische, ehrliche und chaotische Branche mit Leben zu erfüllen, anderen helfen diesen Weg innerhalb des besten Berufs der Welt zu genießen - das war, neben meinem Anspruch Gäste glücklich zu machen, immer mein großes Ziel. Mit & bei GIHS kann ich endlich Menschen dabei helfen ihre Träume zu leben und zu genießen - und dabei meinen Eigenen zu erfüllen.
Arne Finnern